Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und unserem Herrn Jesus Christus. Amen.
Der Predigttext für diesen Sonntag steht in Jesaja 55,8-12a:
Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der Herr, sondern so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken.
Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und lässt wachsen, dass sie gibt Samen zu säen und Brot zu essen, so soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein:
Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende.
Denn ihr sollt in Freuden ausziehen und im Frieden geleitet werden.
Herr, regiere du unser Hören und unser Reden durch deinen Heiligen Geist. Amen.
Liebe Gemeinde,
in der vergangenen Woche haben sich die Meldungen an schlimmen Nachrichten wieder überboten. Wir sahen, wie der ukrainische Präsident Selenskyj seine europäischen Partner besuchte und eindringlich um weitergehende militärische Hilfe bat. Nach Panzern sollen nun auch Kampfjets geliefert werden. Mächtige Waffen, um dem Krieg ein Ende zu setzen. Immer größer wird das Kämpfen und Sterben, die Gewalt und die Verzweiflung.
Und dann die Bilder aus der Südtürkei und Syrien. Ein Jahrhundertbeben hat ganze Landstriche verwüstet. Noch immer steigen die Opferzahlen. Weit mehr als 20.000 Menschen haben ihr Leben verloren. Dazu kommt die verheerende Bürgerkriegssituation. Hilfskräfte erreichen die Notleiden nur unter größten Schwierigkeiten. Unfassbar ist, was die Menschen dort durchmachen müssen. Unvorstellbar groß ihr Leid.
Die Meldungen von den massiven Waldbränden in Chile und dem Energienotstand in Südafrika wirken dagegen fast harmlos, sind es aber natürlich nicht.
In was für Zeiten leben wir? Oder anders gefragt: Gott, siehst du eigentlich, was hier, auf deiner Erde, passiert? Wohin soll das führen?
Der Prophet Jesaja hat folgende Antwort: Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der Herr, sondern so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken. (Jes 55,8-9)
Gott hat uns einen wachen Verstand geschenkt. Er hat uns als sein geliebtes Gegenüber geschaffen, uns „wunderbar gemacht“, wie es der Beter des 139. Psalms sagt. Und daher sind wir auch immer wieder gefordert, unseren Verstand, unser Geschick, unsere Hände und Füße einzusetzen, um Gottes Reich Wirklichkeit werden zu lassen. Wir sind nicht dazu aufgerufen, unsere Erde zu zerstören, Menschenleben zu vernichten und unser eigenes Ich mit Füßen zu treten. Und doch erleben wir das immer wieder: Unsere Pläne gehen nicht auf.
„Wir hatten doch noch so viel vor miteinander!“, höre ich oft von Menschen, die ihren Partner verloren haben. Schnell stellen sich die Gedanken ein: „Warum, Gott, musste es so kommen? Das macht keinen Sinn!“
Gott hat andere Gedanken als wir. Niemand kann ahnen, was er für Pläne mit uns hat. Aber eines dürfen wir wissen: Gott hat einen Plan für uns und kennt unseren Weg. Niemand sonst weiß es, aber er.
Wenn wir überhaupt keinen Sinn sehen, nur noch Angst fühlen und Verzweiflung, erfahren wir: Gott weiß, warum. Aber seine Gedanken sind so hoch, so weit entfernt von unseren – wir werden sie nicht verstehen. Aber das Vertrauen können wir haben, dass es so ist.
Und wie dieses Vertrauen entstehen kann, darüber sagt Jesaja folgendes:
Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und lässt wachsen, dass sie gibt Samen zu säen und Brot zu essen, so soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein:
Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende.
Denn ihr sollt in Freuden ausziehen und im Frieden geleitet werden. (Jes 55,10-12a)
Der Glaube kommt aus dem Wort! Oder wie es der Apostel Paulus im Römerbrief sagt: So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi. (Röm 10,17) Ich weiß, dass viele von euch heute Morgen hier sitzen, weil sie genau das erleben wollen: Ein Wort, was Glauben stärkt, vielleicht sogar weckt, eine Predigt, die anregend, tröstend, unterhaltsam oder am besten alles zusammen ist. Leider schaffen das viele Predigten nicht und in der theologischen Wissenschaft wird seit Jahrzehnten über die Predigtnot oder Predigtmisere gesprochen. Ein Kollege wurde unlängst etwas irritiert angesehen, als er bei einem Dorffest das Bierzelt betrat. Er konterte gleich und sagt: „Keine Angst, ich will jetzt nicht predigen!“ Der Schriftsteller Botho Strauß schreibt: „Eine protestantische Predigt, das ist in den meisten Fällen, als spräche ein Materialprüfer vom TÜV über den Heiligen Gral.“ Nebenbei: Ich weiß, wovon ich spreche, denn mein Vater war über dreißig Jahre lang beim TÜV beschäftigt.
Wir kommen nicht drum herum. Gottes Wort muss lebendig verkündigt und offen gehört werden. Gottes Wort kann Glauben wecken und die Welt verändern. Ja, durch sein Wort ist schließlich alles geschaffen, was ist. Gott sprach und es wurde. Am Anfang war das Wort – so lässt Johannes deshalb auch sein Evangelium beginnen.
Damit das deutlich wird, bedient sich die Bibel immer wieder Beispielen. Sowohl Jesus im Gleichnis vom Sämann, das wir heute gehört haben, als auch Jesaja sprechen davon, dass Gottes Wort etwas ist, was gedeiht. Es wächst wie Samen. Es wird ausgestreut oder fällt wie Regen oder Schnee vom Himmel. Es wird aufgenommen wie das Brot, das wir essen, und stärkt alle, die davon leben.
Gottes Wort bleibt nicht folgenlos. Wie Niederschlag vom Himmel auf die Erde regnet und der Samen von oben nach unten fällt, so auch Gottes Wort. Es kommt von Gott und wird von uns aufgenommen. Da bleibt es, wächst, gedeiht, bringt Früchte. Es verhallt nicht einfach so und bleibt ohne Folgen.
Der Prophet Jesaja appelliert an dieser Stelle seines Buches immer wieder an die Menschen: Kommt! Hört! Sucht den Herrn! Ruft ihn an! Wie ein Marktschreier ruft er das Wort hinaus, damit es möglichst weit gestreut wird.
Und dann? Wie das Wort wirkt, was es be-wirkt, das haben wir nicht in der Hand. Manche Saat geht nicht auf. Mancher Niederschlag versickert ohne Folgen. Warum ist das so?
Diese Frage lässt sich oft nicht beantworten. Wie oft haben mir Eltern traurig erzählt, dass es ihnen nicht gelungen ist, ihren Glauben so an ihre Kinder weiterzugeben, wie sie sich das vorgestellt hatten. Aber Gottes Gedanken sind andere als unsere. Und Gottes Pläne sind höher als unsere. Auch in dieser Hinsicht. Das entbindet uns nicht von unserem Verstand und soll auch keine Ausflucht sein.
Aber es ist gut zu wissen, dass letztlich Gott einen Plan und einen Weg für uns hat. Wir hören, was er zu sagen hat und beten darum, dass er Glaube und Vertrauen wachsen lasse. Und wenn wir am Ende mit unserer Weisheit und unserem Verstand sind, hilft vielleicht immer wieder das bekannte Gebet:
Gott gebe mir die Gelassenheit,
Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Amen.