Predigt am Sonntag Okuli über 1. Petrus 1,18-21 von Kerstin Strauch

Liebe Gemeinde,

heute geht es nicht um halbe Sachen. „Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“ Dieser Satz aus der Evangeliumslesung – unser Wochenspruch – formuliert ziemlich deutlich, dass man Nachfolge nicht mal eben nebenbei erledigen kann. Ganz oder gar nicht ist die Devise, die der Evangelist Lukas hier zwischen den Zeilen herausgibt.

Wer nur zurückschaut, in Vergangenem verharrt, stets in der Erinnerung lebt, der wird Gottes Wirklichkeit nicht auf die Spur kommen. Wieder einmal haben wir es hier mit einem Bild aus der Landwirtschaft zu tun. Ein Mensch entschließt sich zu pflügen. Er legt die Hand an den Pflug, was zeigt, dass er im Begriff ist, gleich mit seiner Arbeit loszulegen. Dann die Einschränkung: Er sieht zurück, blickt darauf, was er hinter sich lässt: alte Bekannte, Bequemlichkeiten, gewohntes Terrain? In dem Moment, wo er zum Pflügen ansetzt, betritt er Neuland, bearbeitet den Boden. Dazu ist Konzentration gefragt. Wer nicht aufpasst, wird wenig Erfolg mit seiner Tätigkeit haben. Wer sich nicht auf die Nachfolge konzentriert und bereit ist, dafür bestimmt Dinge aufzugeben, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes. Ein hartes Wort – besonders, wenn wir hören, welche Konsequenzen es haben kann.

Drei konkrete Fälle nennt die Evangeliumslesung: Einer wird aufgefordert, für Jesu Bedürfnisse zu sorgen, denn das hat er überhaupt nicht im Blick. Vorwurfsvoll klingen die Worte aus dem Munde Jesu: Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege. (Lk 9,58) Ein anderer befindet sich noch in der Trauer um seinen Vater – die Beerdigung soll er nicht abwarten, sondern sich hier und jetzt zur Nachfolge entschließen. Schließlich geht es um einen dritten Fall: Ein Mensch, der sich gerne von seinen Lieben vorher noch verabschieden möchte, um sich dann auf den Neuanfang mit Jesus einzulassen. Dieser bekommt das Wort des Wochenspruches mit auf den Weg. Unbequem sind diese Worte, die uns Lukas überliefert allemal, vielleicht sogar abschreckend und verstörend.

Ganz bewusst werden diese drei Beispiele gewählt sein. „Ganz oder gar nicht“ – Nachfolge ist nicht anders zu haben. „Vom Ernst der Nachfolge“ ist diese Passage deshalb auch in der Lutherbibel überschrieben. Befreiende Botschaft? Evangelium? An dieser Stelle lesen wir eher strenge und ermahnende Worte, die uns vor die Entscheidung stellen.

Entscheidungen zu treffen fällt oft nicht leicht. So vieles gilt es abzuwägen. Mein Vater z. B. kauft sich schon seit zwanzig Jahren ein neues Auto und fährt doch immer noch das alte, weil er sich einfach nicht entscheiden kann. Je mehr man sich mit einer Sache beschäftigt, desto schwieriger wird manchmal die Entscheidung. Immer mehr Argumente dafür und dagegen tauchen dann auf, immer mehr Meinungen, Erfahrungen und Einwände. Dazu kommt noch eine gewisse Veranlagung. Einigen fallen Entscheidungen leichter, anderen schwerer. Und doch sind sie nötig – manche Entscheidungen. Heute haben wir vielmehr Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten als die Menschen vor fünfzig oder sechzig Jahren: Wir entscheiden uns für bestimmte Schulen und Berufe, für Reisen und Autos, für Wohnungen und Mobiliar, für Versicherungen und Finanzanlageprodukte, für Telefonanbieter und Smartphones, für Einbauküchen oder Waschmaschinen …

Jeden Tag müssen wir unzählige Entscheidungen treffen, oft tun wir das sogar unbewusst. Vor großen Lebensentscheidungen dann bekommen wir dann doch noch weiche Knie. Bei der Frage „Willst du mich heiraten?“ oder der Entscheidung, die gewohnte Umgebung zu verlassen und sich ein Leben fernab der Heimat, in einem anderen Ort oder sogar einem ganz anderen Land aufzubauen.

Vor so eine große Frage stellt uns Jesus: Willst du mir nachfolgen? Mit der Taufe ist diese Frage für uns bejaht worden. Bei der Konfirmation ist sie dann noch einmal bestätigt worden. Und doch ist diese Frage eine, die sich immer wieder neu stellt. Die Richtung ist eingeschlagen, der Weg vorgegeben – aber laufen müssen wir alleine. Es ist der Weg des Glaubens, ein Weg, der in Gottes Wirklichkeit führt, in sein Reich. Von Gottes Reich ist in der Bibel viel die Rede. Bei Lukas hören wir, dass wer zurückschaut, nicht für das Reich Gottes geschickt ist. Im Markusevangelium sagt Jesus: Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht in es hineinkommen. (Mk 10,15)

In diesen Sätzen wird uns ein Hinweis in puncto „Entscheidung“ gegeben: In der Frage der Nachfolge gibt es kein „Jein“ – das geht entweder ganz oder gar nicht. Kinder treffen viele Entscheidungen viel leichter, weil sie spontaner sind, weniger abwiegen und ganz im Hier und Jetzt leben. Sie hören auf ihr Gefühl, ihre Bedürfnisse und haben ein feines Gespür für Dinge, die ihnen guttun. Kinder reagieren vorbehaltlos und oft ohne Hintergedanken. Das alles schwingt mit in der Aufforderung Jesu, sich wie ein Kind auf das Reich Gottes einzulassen.

Bei der Frage, warum diese Entscheidung so wichtig und besonders ist, hilft uns der heutige Predigttext. Es ist ein Abschnitt aus dem 1. Petrusbrief. Ich lese aus dem 1. Kapitel die Verse 17-21:

Ihr wisst, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst seid von eurem nichtigen Wandel nach der Väter Weise, sondern mit dem teuren Blut Christi als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes.

Er ist zwar zuvor ausersehen, ehe der Welt Grund gelegt wurde, aber offenbart am Ende der Zeiten um euretwillen, die ihr durch ihn glaubt an Gott, der ihn auferweckt hat von den Toten und ihm die Herrlichkeit gegeben, damit ihr Glauben und Hoffnung zu Gott habt.

 

Es geht bei der Nachfolge um Gottes Zuwendung, um Erlösung und Freiheit. Letztlich geht es um die Frage, wie ich ein erfülltes, hoffnungsvolles Leben führen kann. Dazu haben Menschen seit Jahrtausenden bestimmte Regeln und Werte aufgestellt. Mittels religiöser Vorschriften versuchten sie, Gott gnädig zu stimmen und ein ihm wohlgefälliges Leben zu führen. Das nennt der Petrusbrief den „nichtigen Wandel nach der Väter Weise“, denn letztlich führt er nicht zur Erfüllung und Erlösung. Doch wie kommt es dazu?

Gold und Silber spielen keine Rolle. Es hat keinen Freikauf gegeben aus den todbringenden Strukturen von Angst, Unterdrückung und Perspektivlosigkeit. Stattdessen ist vom Lamm die Rede. Das Lamm kennen wir aus vielen bildlichen Darstellungen im Zusammenhang von Kirche. In vielen Kirchenfenstern und auf Altarbildern erkennen wir das Lamm. Auch unser Osterlamm erinnert daran. Das Lamm ist ein Bild für Unschuld, für Reinheit, aber auch für das hilflose Kleine.

Zur Zeit des jüdischen Tempels wurden Lämmer als wertvolle Opfergabe am Tempel dargebracht. Alle Schuld und Wut, alle Verzweiflung und Verachtung luden die Menschen sinnbildlich auf dieses Lamm, was dann für Gott geopfert wurde. Dieses Bild überträgt das Neue Testament auf Jesus Christus. Er ist das unschuldige Lamm, das für uns gestorben ist.

Alles, was bis dahin trennend zwischen Gott und Menschen stand, ist damit überwunden. Wie hoch ist dieser Preis! Mit nichts ist er zu vergleichen. Gold und Silber können nicht aufwiegen, was Jesus für uns bezahlte. Er bezahlte mit seinem Leben, damit wir leben können.

Das ist die Entscheidungsgrundlage, liebe Gemeinde. Jesu Tod und Auferstehung werden hier als Grund dafür genannt, damit wir Glauben und Hoffnung zu Gott haben, damit wir erlöst aufatmen, befreit leben können. Was für ein Geschenk! Eines aber bleibt noch: Ja oder nein zu sagen, oder mit anderen Worten: Nachfolge ernst zu nehmen.

Deutlich und klar sind die Worte, die wir heute Morgen hören – deutlich und klar sind auch wir zur Entscheidung gerufen. Dazu helfe uns Gott.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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