Predigt zum 20. Sonntag nach Trinitatis (12.10.2024) über 2. Kor 3,3-6 von Kerstin Strauch

Liebe Gemeinde,

„schreib mal wieder!“. So lautete ein Werbeslogan der Deutschen Post vor vielen Jahrzehnten, vielleicht können Sie sich noch erinnern? „Schreib mal wieder!“ Damit war gemeint, die Post mal wieder für private Zwecke zu nutzen und sich Briefe zu schreiben. Das war damals noch üblich.

Man griff zu Briefbogen und Papier und schrieb. Der Tante, dem Onkel, den Großeltern, der Freundin, die weit weg lebte. Erfahrungen, Erlebnisse wurden geteilt genauso wie Berichte über das Wetter oder Gedanken zu Gott und der Welt. Das ist heute eine echte Seltenheit geworden, sind wir doch viel schneller in Kontakt mittels Kurznachrichten übers Smartphone oder über E-Mails, die sofort beim Empfänger oder der Empfängerin landen.

Wann habt ihr zuletzt einen echten Brief bekommen, handgeschrieben, persönlich? Bei den meisten ist das wahrscheinlich schon lange her.

Ein ausgewiesener Briefeschreiber war der Apostel Paulus. Das Neue Testament enthält insgesamt 21 Briefe. Die meisten davon hat Paulus geschrieben. Paulus war vielleicht nicht der begnadetste Prediger, das konnten andere besser, aber er war ein leidenschaftlicher Briefeschreiber. Sein Herz brannte für Jesus Christus und die gute Nachricht. Er hatte etwas zu sagen und hielt den Kontakt zu vielen Gemeinden. So auch zu der Gemeinde in Korinth. Der Predigttext für diesen Sonntag stammt aus dem 3. Kapitel des 2. Korintherbriefes. Paulus schreibt darin:

Für alle ist sichtbar: Ihr seid ein Brief von Christus, ausgefertigt und überbracht durch meinen Dienst als Apostel.

Dieser Brief ist nicht mit Tinte geschrieben, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes. Er steht nicht auf Steintafeln, sondern in den Herzen von Menschen.

So viel Selbstvertrauen habe ich vor Gott, weil Christus mich in seinen Dienst gestellt hat. Ich meine nicht, dass ich einem solchen Auftrag aus eigener Kraft gewachsen bin und mir irgendetwas selbst zuschreiben kann. Gott ist es, der mir die Fähigkeit dazu geschenkt hat.

Er hat mich fähig gemacht, ihm zu dienen durch die Bekanntmachung seines neuen Bundes. Dieser Bund unterscheidet sich dadurch von dem früheren Bund, dass Gott jetzt nicht ein geschriebenes Gesetz gibt, sondern seinen Geist. Der Buchstabe des Gesetzes führt zum Tod; der Geist aber führt zum Leben. (2 Kor 3,3-6, Gute Nachricht Bibel)

Gott, regiere du unser Denken und Reden durch deinen Heiligen Geist. Amen.

Um sich verständlich zu machen, um nicht nur unsere Köpfe, sondern auch unsere Herzen zu erreichen, findet Paulus immer wieder Bilder für seine Themen. Das Bild vom Leib und den Gliedern ist eines der bekanntesten. Da wird unsere Verbundenheit untereinander und mit Christus mit einem Leib, mit dem Körper verglichen, an dem jedes Körperteil, jedes Organ wichtig ist. Christus ist der Kopf und wir sind die Glieder. Da versteht man gleich, wie alles zusammenhängt.

In dem Text, um den es heute geht, vergleicht der passionierte Briefeschreiber Paulus uns alle mit einem Brief, der von Christus geschrieben ist.

Ich soll ein Brief sein? Und dazu noch einer, den Jesus Christus geschrieben hat? Das kann ich mir nicht vorstellen!

So eine Abwehrhaltung liegt nahe. Warum sollte Jesus ausgerechnet mich als seinen Brief an die Menschheit benutzen? Da gibt es doch sicher andere, besser geeignete Möglichkeiten.

„Nein, gibt es nicht!“, würde Jesus sagen. „Genau dich brauche ich! Ich habe dich ausgesucht!“

Das kommt mir bekannt vor. Gott meint wirklich mich! Wie oft habe ich das schon gehört und gesagt, diesen bekannte Spruch aus dem Jesajabuch: „Gott sagt: Fürchte dich nicht erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein!“ (Jes 43,1)

Ich gehöre zu Gott! Er kennt mich und ruft mich bei meinem Namen. (Heute haben wir die kleine Sophie getauft. Auch sie ist von Gott geliebt. Auch sie wird von Gott bei ihrem Namen gerufen. Auch sie wird damit zu einem Brief. Auch für sie gilt, was der Apostel Paulus sagt:)

Ich bin ein Brief, den Jesus geschrieben hat. Er hat ihn nicht mit Tinte geschrieben, sondern mit seinem Geist, direkt mir ins Herz. Er hat mir Fähigkeiten geschenkt, mich mit Kraft ausgestattet und Zuversicht. So wirke ich als sein Brief, werde gelesen, bin lebendig, weil Gottes Geist in mir lebendig ist.

Mose hämmerte die Zehn Gebote mit einem Meißel in zwei große Steintafeln. Das Gesetz für alle sichtbar und greifbar – unangreifbar. Der Brief, der wir sind, ist mit Gottes Geist geschrieben, nicht in Stein gehauen. Wir sind angreifbar, aber wir sind lebendig. Denn der Lebendige wirkt in uns und mit uns.

Eine Verständnishilfe können uns wissenschaftliche Erkenntnisse sein. Der Heidelberger Mediziner und Philosoph Thomas Fuchs unterscheidet zwischen zwei Formen von Gedächtnis. Das eine speichert bestimmt Fakten ab. „Das und das ist passiert. Das habe ich erlebt.“ Ich erinnere mich mit diesem Gedächtnis an Ereignisse und Vorkommnisse. Neben diesem expliziten Gedächtnis, das Fakten abspeichert, gibt es aber auch noch das Leibgedächtnis, wie er es nennt. Das Leibgedächtnis speichert ab, wie etwas passiert ist. Hier wird unsere Lebensgeschichte abgespeichert, mit Gefühlen, mit körperlichen und emotionalen Erinnerungen. Ich kann mir gut vorstellen, dass genau in dieses Leibgedächtnis auch Gott eingeschrieben ist mit Erfahrungen, Begegnungen und Vertrauen. Hier verbindet er sich mit uns, hier schreibt er uns mit seinem Geist Dinge direkt ins Herz.

Wir sind ein Brief Christi. Vielleicht gibt es jemanden in unserer unmittelbaren Umgebung, der schon lange auf einen Mut machenden, Kraft schenkenden Brief wartet. Sind wir ein solcher Brief?

Vielleicht sind wir der Brief, der vermittelt, der Meinungen offen ausspricht, der für andere eintritt. Was für ein Brief bin ich? Was schreibt mir Christus ins Herz?

Wir sind ein Brief Christi. In einer von Bomben zerstörten Kirche fand man nach dem Krieg eine verbrannte Christusfigur, die keine Arme und Beine mehr hatte. Ein Unbekannter heftete daran einen Zettel mit folgendem Text:

Christus hat keine Hände als unsere Hände, um seine Arbeit heute zu tun.

Er hat keine Füße als unsere Füße, um Menschen auf seinen Weg zu führen.

Christus hat keine Lippen als unsere Lippen, um Menschen von ihm zu erzählen.

Er hat keine Hilfe als unsere Hilfe, um Menschen an seine Seite zu bringen.

Wir sind die einzige Bibel, die die Öffentlichkeit noch liest.

Wir sind Gottes Botschaft, in Taten und Worten geschrieben.

Liebe Gemeinde, Gott sendet uns. Er sendet uns ab und schickt uns zu den Menschen.

Und er ist bei uns, wenn wir dort ankommen, wo er uns haben möchte.

Darum und das ist die ganze Predigt: Schreib mal wieder. Du bist ein Brief Christi.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen uns Sinne in Christus Jesus. Amen.

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