Predigt am 2. Sonntag nach Ephiphanias über 2. Mose 33,18-23 von Dr. Ulrich Hofeditz

Don Camillo und Peppone sind zwei Romanfiguren von Giovannino Guareschi. Don Camillo, der Priester, und Peppone, der kommunistische Bürgermeister, teilen ihr Leben in dem kleinen und fiktiven italienischen Dorf Boscaccio in den 50er Jahren. Und wem die Bücher oder Filme nicht bekannt sind, dem empfehle ich sie. Denn auch wenn sie schon etwas älter sind, so empfinde ich sie bis heute immer noch unterhaltsam.

Don Camillo und Peppone sind sich in herzlicher Feindschaft zugetan. Natürlich würde keiner von beiden vor den eigenen Anhängern zugeben, dass zwischen Ihnen eine Freundschaft bestünde. Sie machen sich gegenseitig das Leben schwer. Peppone versucht möglichst viele Menschen von der unsinnigen Idee abzubringen, dass es überhaupt einen Gott geben könnte, und beschwert sich herzlich gerne beim Bischof über den Priester Don Camillo. Und Don Camillo betreibt spitzbübisch Seelsorge unter den Anhängern des Peppone, wettert laut von der Kanzel gegen die gottlose kommunistische Idee und versucht natürlich sich in die Kommunalpolitik einzumischen. Trotz aller Reibereien halten die beiden heimlich zusammen. Wenn Probleme auftreten, raufen sie sich zusammen, was natürlich keiner wissen darf. Aber mehr verrate ich Ihnen nicht.

Eine Szene ist mir jedoch in Erinnerung geblieben. Don Camillo ärgert sich mal wieder über die Kommunisten des Peppone. Aufbrausend, wie er ist, möchte er diese Meinung direkt auf dem Marktplatz kundtun und marschiert geschwinden Schrittes durch die Kirche. Als er am Altar vorbeikommt, ruft es ihm vom Kreuz zu: „Don Camillo, was machst du?“ Don Camillo bleibt angewurzelt stehen. „Ach, du weißt doch Herr…“ „Don Camillo, du weißt, dass es auch meine Kinder sind.“ Und zwischen Don Camillo und dem Christus am Kreuz entwickelt sich ein kurzes Gespräch. Auf der eine Seite der wutschnaubende Priester und auf der andere Seite Christus, der Don Camillo vor sich selbst schützt und seine Liebe zu allen Menschen zeigt.

Natürlich ist die gesamte Geschichte literarische Fiktion. Aber was mich bei der Szene immer wieder anspricht, ist der anscheinend völlig normale Dialog zwischen Don Camillo und seinem Jesus. Eine Unterhaltung von Angesicht zu Angesicht. Sich ganz normal mit Gott unterhalten zu können, dass wäre doch toll. Wenn das möglich wäre, dann wünsche ich mir das auch.

Zumindest von einer Person, die diesen direkten Draht immer wieder zu Gott hatte, soll heute Morgen die Rede sein. Mose. Er redet zu verschiedenen Gelegenheiten mit Gott. Aber Mose möchte mehr. Mose fragt Gott, ob er ihm seine Herrlichkeit zeige.

Und was macht Gott? Gott sagt ja, aber anders als man sich dies zunächst vielleicht vorstellt. Und ich finde, die Antwort Gottes klingt auch erstmal gar nicht nach einem ja, sondern nach einer sehr komplexen Abhandlung. Und diese müssen wir uns zunächst etwas genauer anschauen.

Auf die Frage des Moses nach dem Schauen der Herrlichkeit Gottes, sagt Gott das er ihm seine Güte zeigen und seinem Namen vor ihm ausrufen wird. Was aber Mose nicht sehen wird, sei Gottes Gesicht. Und dann will er ihm seine Herrlichkeit zeigen, die Mose jedoch nicht direkt sehen soll. Denn Gott will Mose in eine Felsspalte stellen, seine Hand über ihn halten und erst wenn seine Herrlichkeit vorbeigezogen ist, darf Mose hinterherschauen. Klingt doch ausreichend kompliziert.

Wenn die Antwort so kompliziert ist, dann könnte es möglicherweise an der Frage gelegen haben. Mose möchte Gottes Herrlichkeit sehen. Doch was ist zunächst einmal die Herrlichkeit Gottes? Was stellen wir uns darunter überhaupt vor? Ist es das Bild des alten weisen Königs hoch zu Ross in einer glänzenden Rüstung mit rotem Umhang vor einem weißgoldenen Palast? Ist es ein so hellstrahlendes Licht, dass man daran nichts mehr erkennen kann?

Die Herausforderung bei diesem Begriff ist, dass er in der hebräischen Bibel noch nicht einmal einheitlich verwendet wird. Er wird so nuancenreich verwendet, dass kaum möglich wäre alle Bibelstellen mit diesem Begriff aufzuführen, um am Ende die eine Definition von der Herrlichkeit Gottes aufstellen zu können. Zudem wird das Wort an vielen Stellen mit Ehre übersetzt.

Was sich allerdings sagen lässt ist, dass das Wort mit Schwere oder auch mit Schwersein zusammenhängt. Diese Verbindung kann helfen, den Begriff der Herrlichkeit Gottes näher zu verstehen. Dort wo Gottes Herrlichkeit ist, da ist die Schwere seiner Präsenz. Dort hinterlässt sie einen bleibenden Eindruck. Dort wo Gottes Herrlichkeit ist, da ist etwas anders.

Von diesem Gedanken herkommend, lässt sich m.E. verstehen, was nun die komplizierte Antwort Gottes eigentlich dem Mose erläutern möchte. Zwei Dinge sieht Mose, eine Sache sieht Mose nur indirekt und eine gar nicht.

Von den zwei Dingen, die Mose sehen darf, steht zunächst die Güte Gottes an erster Stelle. Die Gesamtheit des Guten und des Segens, welche Gott bereithält. Nicht allein für Mose, sondern für alle Menschen. Keine Eigenschaft Gottes, sondern das Wirken Gottes in dieser Welt. Die Zuwendung Gottes, die jedem Menschen gilt.

Das zweite Ding, welches Mose sehen wird, ist der Name Gottes, der vor ihm ausgerufen werden soll. Den einen Namen, den Mose schon aus dem brennenden Dornenbusch erfahren hat. Und dieser Namen ist verbunden mit einem Versprechen: Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich. Dieser Name zieht in der Wolken- und Feuersäule vor Mose und damit auch vor dem Volk Israel durch die Wüste aus dem Exil ins verheißene Land. Es ist das Versprechen, dass Gott mitziehen wird und sein Volk niemals verlassen wird. Verheißung und Zuspruch.

Diese zwei Dinge kommen aus der Herrlichkeit Gottes. Es sind die Auswirkungen der Herrlichkeit Gottes in der Welt. Mose und das Volk Israel haben sie schon gesehen und erfahren dürfen als sie aus Ägypten und durch die Wüste zogen. Und hier schon sieht Mose einen Teil der Herrlichkeit Gottes. Die Veränderungen, die diese bewirkt. Wenn Gottes Herrlichkeit vor Mose herzieht, so ist es am Ende anders. Und diese Andersartigkeit sieht Mose, wenn er der Herrlichkeit in der Person Gottes nachsieht, ohne dass sie in Worte gefasst werden kann.

Keine Beschreibung wie diese Herrlichkeit ausgehen hat oder was Mose gefühlt. Noch nicht einmal eine Erzählung, dass dies tatsächlich passiert sei. Allein schon die Erlaubnis, dass Mose dies darf, zeigt die Nähe, die Mose zu seinem Gott hatte.

Die Herrlichkeit Gottes, so erzählt der Predigttext, scheint ihren Kern im Angesicht Gottes zu haben, welches kein lebender Mensch sehen kann. Und so scheint es, dass Mose einen Widerschein des Angesichtes Gottes sieht. Ein Anderssein dessen, wo die Herrlichkeit hergezogen ist.

In der Lesung haben wir von der Hochzeit zu Kana gehört. Und am Ende dieser Geschichte heißt es über Jesus, dass er mit seinem ersten Wunder, indem er Wasser zu Wein verwandelte, seine Herrlichkeit offenbart habe. Jesus hat dort seinen Eindruck hinterlassen.

Der Evangelist Johannes, der uns diese Geschichte von der Hochzeit zu Kana berichtet, scheint mit diesen Begriffen in ähnlicher Weise zu arbeiten, wie schon unser Predigttext aus dem zweiten Buch Mose. Johannes schreibt im Vorwort seines Evangelium folgendes über Jesus: „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit (V. 14).“ Und nur wenige Verse später heißt es „Niemand hat Gott je gesehen; der Eingeborene, der Gott ist und in des Vaters Schoß ist, der hat es verkündigt.“ (V. 18). Jesus ist die Herrlichkeit Gottes, offenbart worden für jeden. Nun ist sie nicht mehr verschlossen.

Und wenn ich heute Morgen über diesen Text gepredigt habe, so glaube ich, dass dieser Text nicht damals dem Mose und dem Volk Israel allein gegolten hat, sondern auch uns. Gott hat uns in eine Welt gestellt, die er mit seiner Güte anschaut. Nicht eine problemfreie Welt, nicht eine Welt ohne Herausforderungen, aber in einer Welt in der wir zunächst einmal im Segen Gottes wohnen dürfen. Der Segen Gottes darf das Grundgefühl unseres Lebens sein. Ohne die schlechten Erfahrungen in unserem Leben zu verneinen, die Krankheiten, die Verletzungen, den Krieg, aber die Grundbotschaft darf lauten, dass Gott sich jedem einzelnen von uns segnend und in voller Güte zuwendet.

Dort wo wir in Freude mit unserer Familie und unseren Freunden gute Beziehungen pflegen. Dort wo wir zufrieden in unseren Berufen arbeiten. Dort wo wir Heilung von Krankheiten erfahren, beim Arzt oder im Krankenhaus. Dort wo wir gemeinsam unseren Glauben teilen und gemeinsam beten dürfen. Ich glaube, das sind die Orte, wo wir die Güte Gottes in unserem Leben konkret erfahren.

Die zweite Botschaft gilt auch jedem von uns, aber uns noch stärker als Gemeinschaft. Gott zieht vor uns her: „Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich.“ Und wenn wir immer wieder über die Herausforderungen in unseren Gemeinden und der Kirche sprechen, von den vielen notwendigen Sparmaßnahmen, von den kleiner werdenden Gemeinden, von den immer weniger werdenden Pfarrerinnen und Pfarrern, so darf dies unser Trost sein.

Und auch dort, wo wir daran leiden, dass Beziehungen zu lieben Menschen zerbrochen sind, kann Gott Versöhnung schenken. Gott kann sich erbarmen über Freunde und Kinder, die Schwierigkeiten haben, ihren Platz im Leben zu finden. Oder Gott kann sich gnädig zeigen bei Menschen, die wir als völlig unkooperativ und schwierig erleben. Eines Tages merken wir dann vielleicht, jetzt ist etwas anders geworden. Es ist gut geworden. Nicht dass wir einen Anspruch darauf hätten, aber ich glaube: Gott will uns gnädig sein und sich über uns erbarmen.

Ich muss wieder an Don Camillo denken und seinem Gespräch mit Jesus. Das steht noch aus. Ich wünsche mir noch immer die Herrlichkeit Gottes zu sehen, da wo sie sich zeigt. Und vielleicht passiert dies noch eines Tages.

Was ich aber weiß ist, dass es eines Tages so sein wird: Ich darf das Gesicht Gottes schauen. Eine Hoffnung, die über unser irdisches Leben hinausgeht. Diese Hoffnung drückt der Apostel Paulus im ersten Korintherbrief mit den Worten aus: „Denn wir sehen jetzt mittels eines Spiegels undeutlich, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, wie auch ich erkannt worden bin.“ (1 Kor 13,12)

Diese hoffnungsfrohe Botschaft möchte ich Ihnen mitgeben.

Amen.

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