Predigt am Ostersonntag (31.03.2024) über 1. Samuel 2 von Kerstin Strauch

Liebe Gemeinde,

„Stolz und überglücklich geben wir die Geburt unseres Kindes bekannt.“ So oder so ähnlich werden viele Geburtsanzeigen eingeleitet. Kinder sind eine Gabe des Herrn, und Leibesfrucht ist ein Geschenk. Wie Pfeile in der Hand eines Starken, so sind die Söhne der Jugendzeit. Wohl dem, der seinen Köcher mit ihnen gefüllt hat! So formuliert es Psalm 127.

In biblischen Zeiten galten Kinder als Geschenk Gottes. Viele Geburten prägten das Leben der Frauen. Die meisten Kinder verstarben damals schon früh. Was aber, wenn der Kindersegen ausblieb? Das galt als gesellschaftlicher Makel.

Über einer Frau, der es genauso ging, berichtet das 1. Samuelbuch. Es ist Hanna, die Frau von Elkana. Die beiden leben im Gebirge Ephraim, im heutigen Israel. Elkana hat zwei Frauen: Hanna, die er besonders liebt, die ihm aber keine Kinder schenken kann und Peninna, die ihm schon mehrere Nachkommen geboren hat. Hannah leidet, fühlt sich ausgeschlossen aus der Gemeinde, weil sie ihrer Bestimmung zum Muttersein nicht nachkommen kann. Immer wieder bohrt sich die Frage in ihren Kopf: Warum schenkt Gott ihr kein Baby? Da helfen auch die Liebesbeteuerungen von Elkana nichts.

Doch Hanna bleibt nicht untätig, sie wird aktiv. Sie übt sich im stillen Gebet, wendet sich im Tempel immer und immer wieder an Gott. Der zuständige Priester will sie schon hinauswerfen, weil er meint, sie wäre betrunken, so merkwürdig kommt ihm diese traurige Frau vor. Hannahs Gebete werden erhört. In hohem Alter wird sie Mutter von Samuel. Jetzt preist sie Gott nicht mehr mit stillen Lippen, sondern mit geöffnetem Mund. Wir hören den Predigttext für den heutigen Ostersonntag. Er steht aufgeschrieben im 1. Samuelbuch, im 2. Kapitel und trägt die Überschrift „Lobgesang der Hanna“ (1 Sam 2,1-2.6-8a, Basisbibel):

Mein Herz ist voll Freude über den Herrn.

Der Herr hat mich wieder stark gemacht.

Mein Mund lacht über meine Feinde.

Denn ich freue mich über deine Hilfe.

Keiner ist so heilig wie der Herr,

denn es gibt keinen Gott außer dir.

Der Herr tötet und macht lebendig,

er führt ins Totenreich und wieder heraus.

Der Herr macht arm und macht reich.

Er drückt nieder und richtet wieder auf.

Den Geringen zieht er aus dem Staub,

den Armen holt er aus dem Dreck

Dieser Text entspricht so gar nicht einer modernen Geburtsanzeige. Mehr als das private Glück stehen hier Worte im Mittelpunkt, die Gottes unendliche Möglichkeiten und Macht preisen.

Das bringt uns auf die Spur, warum wir es heute, am Ostersonntag, mit einem alttestamentlichen Text zu tun haben, wo doch die Osterereignisse unmittelbar mit Jesus Christus zu tun haben, von dem im Neuen Testament berichtet wird.

Hanna erfährt in ihrem Leben das Unvorstellbare – ein Wunder. Niemand hätte mehr damit gerechnet, dass sie noch Mutter wird. Durch diese Geburt wird Hanna befreit aus ihrer Isolation, aus ihrem Elend. Für sie beginnt ein ganz neues Leben.

Schauen wir auf die Ereignisse am Ostermorgen, so ist das Wunder, was da passiert noch viel größer. Gott durchbricht alles Vorstellbare. Der Tod ist ein für alle Mal überwunden, alle Angst vor Elend, Einsamkeit und Not, vor Sterben und Leiden hat damit ein Ende. Jesus Christus, der für uns am Kreuz hingerichtet wurde, ist nicht im Reich des Todes geblieben. Gott hat ihn lebendig gemacht, ihn auferstehen lassen. Gottes Möglichkeiten sind größer als alles, was wir uns denken können. Genauso schildert es auch Hanna. Gott kehrt die Verhältnisse um, er kann Totes lebendig machen und Verstoßene aus der Asche auf den Thron setzen. Was für eine Hoffnung für uns alle!

Ostern, das heißt: Gottes Liebe zu uns ist so groß, dass selbst der Tod nicht mehr das Ende unseres Lebens ist.

Ostern, das heißt: Gottes Liebe ist so groß, dass Gott zu uns hält, egal wie die Wege unseres Lebens verlaufen.

Ostern, das heißt: Gottes Liebe begleitet uns am Ende in eine Wirklichkeit, die noch fern unserer Vorstellung ist, in der es keine Angst, keine schmerzhaften Trennungen und kein Leiden mehr geben wird.

Letztlich ist das Vertrauen in Gottes unbegrenzten Möglichkeiten, in seine Macht und Stärke eine Sache des Glaubens. Denn Ostern, das heißt, Glauben an Gottes Wirklichkeit. Wie schwer vorstellbar das ist, davon erzählt folgende ungewöhnliche Ostergeschichte. Auch sie hat mit Nachwuchs zu tun, der jedoch noch nicht geboren ist:

Eine Frau erwartete Zwillinge – zwei Jungen. Die Wochen vergingen, die Jungen wuchsen heran. In dem Maß, in dem ihr Bewusstsein wuchs, stieg die Freude: „Ist es nicht wunderbar, dass wir leben?!“, sagte der eine zum anderen. Die Zwillinge begannen, ihre Welt zu entdecken. Dabei fanden sie auch die Schnur, die sie mit ihrer Mutter verband und ihnen die Nahrung gab, und sie sangen be­glückt: „Wie groß ist die Liebe unserer Mutter, dass sie ihr eigenes Leben mit uns teilt!“ Als aber die Wochen vergingen und zu Monaten wurden, merkten sie plötzlich, wie sehr sie sich verändert hatten. „Was soll das heißen?“ fragte der eine. „Das heißt“, antwortete der andere, „dass unser Aufenthalt in dieser Welt bald seinem Ende zugeht.“ „Aber ich will gar nicht gehen“; erwiderte der Erste „ich möchte für immer hierbleiben.“ „Wir haben keine andere Wahl“, entgegnete der Zweite, „aber vielleicht gibt es ein Leben nach der Geburt?“, „Wie könnte das sein?“ fragte zweifelnd der Erste. „Wir werden unsere Lebensschnur verlieren. Wie aber sollen wir ohne sie leben? Andere haben vor uns diesen Schoß verlassen, doch keiner von ihnen ist zurückgekommen und hat uns gesagt, dass es ein Leben nach der Geburt gibt. Nein, die Geburt ist das Ende!“ So fiel der Eine von ihnen in tiefen Kummer und sagte: „Wenn die Empfängnis mit der Geburt endet, welchen Sinn hat dann das Leben im Mutterschoß? Es ist sinnlos. Vielleicht gibt es gar keine Mutter?“ „Aber sie muss doch existieren“, protestierte der andere, wie sollen wir sonst hierhergekommen sein? Und wie könnten wir am Leben bleiben?“ „Hast du je unsere Mutter gesehen?“ fragte der Erste. „Möglicherweise lebt sie nur in unserer Vorstellung. Und wir haben sie bloß ausgedacht, weil wir unser Leben dann besser verstehen können.“

So waren die letzten Tage im Schoß der Mutter gefüllt mit vielen Fragen und großer Angst. Schließlich kam der Moment der Geburt. Als die Zwillinge ihre Welt verlassen hatten, öffneten sie die Augen. Sie schrien. Was sie sahen, übertraf ihre kühnsten Träume.

Auferstehung – das übertrifft unsere kühnsten Träume und ist doch Kern unseres Glaubens. Was für eine Perspektive: Stärker als der Tod ist das Leben. So können auch wir einstimmen in Hannas Loblied:

Mein Herz ist voll Freude über den Herrn.

Der Herr hat mich wieder stark gemacht.

Mein Mund lacht über meine Feinde.

Denn ich freue mich über deine Hilfe.

Amen.

Schreibe einen Kommentar