Predigt am Sonntag Invocavit (18.02.24) über Matthäus 4,1-11 von Kerstin Strauch

Der Predigttext für diesen Sonntag Invocavit steht im 4. Kapitel des Matthäusevangeliums (Verse 1-11). Dort wird erzählt, wie Jesus versucht wurde:

Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde. Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. Und der Versucher trat herzu und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden. Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben: »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.« Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben: »Er wird seinen Engeln für dich Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.« Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch geschrieben: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.« Wiederum führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest. Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben: »Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.« Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel herzu und dienten ihm.

Gott, regiere du unser Hören und unser Reden durch deinen Heiligen Geist. Amen.

 

Liebe Gemeinde,

dreimal hat er’s versucht. Er hat alles gegeben. Es geht um Brot, um Vertrauen und schließlich um Macht. Es geht um alles oder nichts. Um Gut gegen Böse. Eine uralte Geschichte.

Gerade noch war Jesus getauft worden. Er hatte sich von Johannes, dem Täufer, in den Fluten des Jordans untertauchen lassen. Der Himmel hatte sich aufgetan. Voller Lebendigkeit, mit dem Heiligen Geist beschenkt, war Jesus, der Sohn Gottes, weitergezogen.

Kaum war das Wasser der Taufe getrocknet, findet sich Jesus in der Wüste wieder. Es ist heiß. Es ist lebensfeindlich. Es ist einsam. Jesus fastet. Nicht nur Süßigkeiten und Alkohol, sondern komplett. Er nimmt so gut wie nichts zu sich. Vierzig Tage lang. Sein Köper ist ausgezehrt. Ein Arzt hätte ihm sicher einen extrem ernsten Gesundheitszustand attestiert. Seine Seele ist auch in Gefahr. Und so schleichen sie sich an, die bösen Gedanken und der Teufel betritt die Szene. Er sagt zu Jesus:  Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden. (Mt 4,3b) Hatte die Stimme aus dem Himmel bei der Taufe nicht genau das gesagt, dass Jesus der Sohn Gottes sei? Also soll er beweisen! Warum nicht ein handfestes Wunder tun oder besser gesagt, auf wunderbare Weise den furchtbar leeren Magen füllen? Jesus widersteht der Versuchung, seine eigenen Bedürfnisse über alles zu stellen. In der Dreigroschenoper sagt Mackie Messer: „Erst kommt das Fressen und dann die Moral.“ Genau so handelt Jesus nicht. Jesus antwortet mit einem Zitat aus dem 5. Buch Mose: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.“

Das Brot steht für alles, was wir brauchen: für Nahrung und Kleidung, für ein Dach über dem Kopf und überhaupt für Existenzsicherung. Aber es gibt etwas, das wir genauso brauchen: Gottes Wort. Und dieses Wort fordert uns immer wieder auf, Prioritäten zu setzen. Was ist wirklich wichtig? Was braucht es in diesem Moment, damit Menschen gut zusammenleben? Da geht es um mehr als die eigene Existenzsicherung. Da geht auch darum, Solidarität mit Leben zu füllen und dabei vielleicht auch eigene Nachteile in Kauf zu nehmen. Am Ende des Matthäusevangeliums sagt Jesus: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25,40) Es geht um den Schutz der Schwachen, der Geringsten, der Opfer. Bei der ersten Versuchung geht es um die Frage nach dem Brot und diese wird von Jesus ganz klar beantwortet: Die Solidarität mit den Ärmsten und Schwachen ist kostbarer als der eigene Vorteil!

Doch damit nicht genug. Der Teufel fordert Jesus auf, sich von der Zinne des Tempels zu stürzen. Er argumentiert mit Psalm 91: „Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.“ (V. 11f) Das, liebe Gemeinde, ist der mit Abstand beliebteste Taufspruch. Eltern suchen sich diesen Vers für ihre Kinder aus, weil sie sich genau das wünschen: Kinder sollen vor allen Gefahren behütet und beschützt sein. Engel sollen sie auf Händen tragen. Der Teufel agiert hier besonders trickreich, denn er versucht Jesus mit seinen eigenen Argumenten zu schlagen. Es geht um Vertrauen. „Wenn du Gott so bedingungslos vertraust, kannst du dich doch auch hier herunterstürzen und er wird dich auffangen? Oder reicht dein Vertrauen dazu nicht aus?“

Wenn wir Gott auf diese Weise herausfordern, wird Gott zu einem reinen Wunscherfüller. Damit wird Gott selber versucht. Er würde von uns genötigt werden, nach unseren Wünschen und Bedürfnissen zu handeln und zwar am liebsten permanent. Doch so ist es nicht. Und wir müssen uns fragen: Wer hat eigentlich die Macht? Gott oder wir? Wir versuchen vieles zu kontrollieren. Wem vertrauen wir, nur uns selbst?

Gerade tagt die Münchner Sicherheitskonferenz. Die einflussreichsten Politikerinnen und Politiker suchen nach Lösungsansätzen für die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten. So vieles ist schwierig, so verhärtet sind die Fronten. Eines wird immer wieder deutlich gefordert und zum Teil schon umgesetzt: die Aufrüstung. Immer mehr wird für Waffen und Munition ausgegeben. Die Verteidigungsfähgikeit der Europäischen Union soll gestärkt werden. Hier geht es um Kontrolle! Wie stehen wir dazu? Es sind unbequeme Fragen, denen ich am liebsten ausweiche. Doch letztlich findet Jesus in der Bergpredigt sehr deutliche Worte.

Und zu Petrus, einem seiner engsten Vertrauten, sagt er: „Stecke dein Schwert an seinen Ort! Denn wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen“ (Mt 26,52) Was heißt das für unser Handeln? Auf alle Fälle heißt es, den eigenen Standpunkt zu finden und die Komfortzone zu verlassen. Keiner hat gesagt, dass es einfach ist, sich für das Gute einzusetzen.

Schließlich kommt es zum letzten Show-Down der Versuchung. Es geht um Gut oder Böse. Es geht um die komplette Herrschaft. Der Teufel will Jesus alles zu Füßen legen: die Herrschaft über alle Imperien – das römische Reich, das Deutsche Reich, die Vereinigten Staaten, die russische Konföderation, die Volksrepublik China. Es gibt nur eine Bedingung: Er muss sich vor dem Teufel niederwerfen und ihn anbeten.

Jesus wehrt sofort mit dem ersten Gebot ab. Er hat genug gehört und gesehen. „Weg mit dir Satan!“, ruft er und dem Teufel bleibt nichts anderes übrig, als sofort zu weichen. Für Jesus gibt es nur einen Weg zur Herrschaft und der führt über das Kreuz. Gerade im Leiden, im Mitleiden mit den Ärmsten und Schwächsten, eröffnet sich die Wirklichkeit Gottes. Dort am Kreuz wird seine Herrschaft aufgerichtet, die stärker ist als alle Versuchungen dieser Welt, sogar stärker als der Tod. Nicht in der Wüste, nicht im Garten Gethsemane, nicht am Kreuz ist Jesus der Versuchung erlegen. Am Ostermorgen sagt er: „Ich habe gesiegt und deshalb dürft ihr euch darauf verlassen: Es wird regiert – nicht in Kiew, nicht Berlin, nicht in Peking, nicht Washington, nicht in Jerusalem oder Gaza und auch nicht in Moskau.“ Dem auferstandenen Gekreuzigten, liebe Gemeinde, ihm allein ist alle Macht gegeben: Das Kreuz auf Golgatha und die leere Grabhöhle im Garten sind Gottes Antwort auf die Machtfrage. Von nun an gilt: „Mir ist gegeben alle Gewalt, im Himmel wie auf Erden.“ (Mt 28,20)

Der gehorsame Gottessohn hat allein die Macht. Er hat dem Teufel und allen bösen Mächten dieser Welt widerstanden. Er ist an unserer Seite, leidet mit uns und stärkt uns, damit auch wir den großen Versuchungen nicht erliegen müssen, sondern mutig in dieser Welt bestehen werden.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.

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