„Wer suchet, der findet“ heißt eine alte Volksweisheit. Doch was suchen wir eigentlich? Und was erwarten wir zu finden?
Viele Menschen nutzen diese Tage des Zuhause-Sein-Müssens, um aufzuräumen, zu entrümpeln, sauberzumachen. Da kommt so manches zum Vorschein, an das wir schon lange nicht mehr gedacht haben: das alte Handrührgerät von Oma, die Fibel aus der ersten Klasse oder die Muscheln, die ich vor 20 Jahren am Strand von Djerba gesammelt habe. Manches lässt sich da finden, nach dem ich gar nicht gesucht habe.
Manchmal ist das Suchen sehr viel aufreibender: Verliere ich meinen Schlüssel, so gerate ich schnell in Panik. Ich suche überall: am Schlüsselbrett, in Taschen und Jacken, in Schubladen. Bin ich immer noch nicht fündig geworden, weite ich die Suche aus: schaue unterm Sofa nach oder unterm Küchenschrank. Vielleicht ist er ja unbemerkt dahin gefallen? Führt das immer noch nicht zum Erfolg, bleibt nur der Gang nach draußen. Ich gehe noch einmal meine letzten Wege ab, frage nach, suche – überall. Was für ein erleichterndes Gefühl ist es, wenn ich das Gesuchte, den Schlüssel dann endlich finde!
„Wer suchet, der findet.“
Auf der Suche befinden wir uns – ein Leben lang. Wir suchen unser Glück, Zufriedenheit, Ausgleich, einen Partner fürs Leben. Ein Leben lang sind wir auf der Suche nach Gott, der uns verspricht: „Wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen.“
Gott verspricht uns: Ihr werdet mich finden! Ich bin nicht wie etwas Verlorenes. Gott geht nicht verloren, bleibt aber manchmal unentdeckt oder wird übersehen. Denn es gehört zu Gottes Wesen, dass er gerade dort zu spüren ist, wo wir es vielleicht am wenigsten erwarten.
So begegnete Gott den Menschen in einem Menschen, von dem sie gar nicht gedacht hätten, dass er Gottes Sohn sein könnte: Jesus Christus.
Jesus, der Sohn eines Zimmermanns aus Nazareth, das uneheliche Kind von Josef und Maria, geboren in ärmlichen Verhältnissen fern der Heimat, in frühester Kindheit schon verfolgt. Dieser Jesus, der als erwachsener Mann als Wanderprediger umherzieht und den Menschen von Gott, seinem himmlischen Vater erzählt und ihnen Gottes Liebe nahebringt, wird uns zum Bruder. In ihm begegnet uns Gott auf Augenhöhe, schaut uns ins Gesicht. Jesus sucht gerade die, die am Rande stehen, will uns nahe sein, wenn niemand uns sonst mehr nahe sein kann.
Am Ende seines Lebens aber war er selbst ganz allein. Jesus Christus starb am Kreuz, damit wir leben können. Indem er starb nahm er alles auf sich, was uns von Gott trennt. In der Sprache der Kirche heißt es: Er starb für unsere Sünden.
Durch seinen Tod machte Jesus einen Neuanfang möglich. Denn der grausame Tod am Kreuz ist nur das eine. Gott hat gelitten und Jesus ist gestorben. Doch größer als der Tod ist das Leben. Das Geheimnis der Auferstehung ist größer als alles Vorstellbare. Jesus ist nicht im Tod geblieben, sondern von Gott ins Leben gerufen worden. Dieses Leben hat eine ganz andere Qualität als alles, was wir uns hier vorstellen können. Es ist das „ewige Leben“, von dem die Bibel spricht und das wir immer wieder im Glaubensbekenntnis bekennen.
Mit der Taufe beginnt dieses neue Leben. Die Taufe bindet uns an Gott und an sein Versprechen, uns nicht dem Tod zu überlassen. Trotzdem leben wir weiter im Hier und Jetzt und sind auf der Suche nach Gott und seinem Reich.
Der Predigttext für den heutigen Sonntag berichtet das in der ganz eigenen Vorstellungswelt des Hebräerbriefes. Dort lesen wir im 13. Kapitel:
Darum hat auch Jesus, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor. So lasst uns nun zu ihm hinausgehen aus dem Lager und seine Schmach tragen. Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir. (Hebr 13,12-14)
Da, wo keiner hin wollte, draußen vor der Stadt, auf dem Hügel Golgatha, der Schädelstätte, starb Jesus am Kreuz. Es war die Hinrichtungsanlage außerhalb der Stadt. Dort wurden im Namen des römischen Gesetzes Todesstrafen vollzogen. Es ist ein grausamer Ort, an dem sich niemand wohlfühlt. Es ist ein Ort der Folter und des Leidens, ein Ort des Sterbens.
Der Hebräerbrief fordert uns auf, den Tod Jesu nicht auszublenden, sondern unser Bewusstsein darauf zu richten. Wenn hier davon die Rede ist, dass wir seine Schmach tragen sollen, so meint das: Als Christinnen und Christen dürfen wir die Augen nicht verschließen vor dem Elend, das auf Golgatha passiert ist. In jedem Bruder und jeder Schwester, die uns begegnet, kann uns Jesus begegnen. Daher sollten wir auch die Augen nicht vor dem Elend dieser Welt verschließen und darauf vertrauen, dass Gott uns gerade in diesen Begegnungen nahe ist und Kraft schenkt.
Manches Elend kennen wir nur aus Fernsehbildern und Berichten. Gerade momentan erschrecken uns fast allabendlich die Bilder aus Italien und Spanien, die Särge zeigen in denen die vielen Corona-Toten liegen. Wir können diesen Nachrichten gerade gar nicht ausweichen und wissen, das betrifft uns auch. Was können wir tun? In erster Linie das befolgen, was es momentan zu befolgen gibt: nämlich zu Hause zu bleiben und alle Kontakte zu vermeiden, die nicht unbedingt notwendig sind. Das heißt aber nicht, dass wir vollkommen isoliert und eingesperrt sein müssen. Ein Telefonat, ein Brief, eine Nachricht per E-Mail oder über Handy – es gibt viele Möglichkeiten, auch heute in Verbindung zu bleiben und damit zu zeigen: Ich vergesse dich nicht! Und eines können wir auch tun: füreinander beten. Seit der vergangenen Woche läuten an jedem Abend um 19.30 Uhr unsere Kirchenglocken. Sie laden ein, für einen Moment still zu werden und uns im Gebet zu vereinen. Denn die Glocken läuten nicht nur bei uns in der Johanneskirche, sondern auch in unseren evangelischen und katholischen Nachbarkirchen und in der ganzen Pfalz, im Saarland, in Hessen und vielen anderen Orten Deutschlands. Das Gebet vermag vielmehr als wir manchmal ahnen. Vertrauen Sie darauf! Dazu gibt es noch viele Initiativen, die in diesen Tagen konkrete Hilfe anbieten: Einkaufsdienste, Beratungsangebote, finanzielle Hilfen.
Jesus hat den Menschen gedient, hat für uns gelitten und ist für uns gestorben. In seinem Namen machen wir uns auf den Weg und halten unsere Augen und Ohren für die Not des Nächsten offen. Es ist eine besondere Zeit, ja, und gerade das Gefühl, dass niemand genau weiß, was die Zukunft bringt, macht mir zu schaffen. Aber ich spüre auch: Plötzlich zeigt sich das, was wirklich zählt, und zwar nicht nur in der Theorie. Das ist für mich ein Schlüsselerlebnis dieser Tage. Was hält mich, was trägt mich durch diese Zeit?
Aufräumen, Entrümpeln, Saubermachen – das machen viele gerade jetzt. Was kommt da zum Vorschein? Was suche ich, nicht nur im Keller oder auf dem Dachboden?
Gott sagt: „Wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen.“ (Jer 29,13-14)
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.